Elektromobilität in Europa auf dem Vormarsch: eine Analyse
Der European Green Deal der EU gibt es vor: Im Vergleich zu 1990 müssen die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 55% sinken und bis 2050 soll die Netto-Emission auf null reduziert und somit Europa der «erste klimaneutrale Kontinent» werden. Der Verkehrssektor macht hierbei aktuell ca. ein Viertel der Emissionen aus - Tendenz steigend.
Neben der Verlagerung auf nachhaltigere Transportarten wie die Schiene stellt die Elektromobilität und die massive Erhöhung des Anteils sauberer Fahrzeuge an der Gesamtflotte ein Kernelement für das Erreichen der Klimaziele dar.
1. Welche Länder und Daten wurden analysiert?
Eine der Hauptdatenquellen war der Bereich «Road» der Webseite des «European Alternative Fuels Observatory» der EU. Die Europäische Kommission gibt hier einen aktuellen und umfangreichen Überblick über den Stand und die Entwicklung der Mobilität auf der Strasse für alternativ betriebene Fahrzeuge in den 27 Ländern der EU plus Grossbritannien, Norwegen, Island, Liechtenstein, Türkei und nicht zuletzt der Schweiz.
Unter den alternativen Antrieben haben wir uns in der Analyse auf die Elektromobilität fokussiert und hierbei auf die rein batteriebetriebenen Fahrzeuge (BEVs) der Klassen Personenwagen und Vans (M1&N1). Aus aktueller Sicht stellt die Batterie-Technologie die zukunftsträchtigste Antriebsalternative dar.
Die wichtigsten Parameter für die Analyse waren die Flottengrösse insgesamt, der BEV-Anteil, das absolute und relative Wachstum an BEVs, der Ausbau der Ladeinfrastruktur und entsprechende Incentives in den einzelnen Staaten wie z.B. steuerliche Vorteile.
In unserer Kernbetrachtung haben wir uns auf die aus unserer Sicht 20 interessantesten Länder konzentriert. Sprich sehr kleine Länder, Länder mit aktuell sehr geringem BEV-Bestand und oder -Wachstum und aus Schweizer Sicht geographisch eher weiter entfernte oder schwer erreichbare Regionen wurden nicht näher betrachtet.
2. Aktueller Anteil von rein batteriebetriebenen Fahrzeugen (BEVs)
Für die betrachteten Top20-Länder liegt der durchschnittliche Anteil der BEVs an der Gesamtflotte tatsächlich bei lediglich etwas mehr als 2%. Das überrascht auf den ersten Blick, ist doch das Thema Elektromobilität nicht neu. Bei genauerem Hinsehen sind einerseits die Unterschiede zwischen den Ländern sehr gross – Norwegen hat den mit Abstand grössten Anteil mit ca. 20%, gefolgt mit weitem Abstand von Schweden und Dänemark mit ca. 6% und den Niederlanden mit ca. 5%. Alle anderen Länder liegen zwischen ca. 0.3% und 3%. Anderseits stellen Hybridfahrzeuge und in einigen Ländern, wie beispielsweise Italien, LPG-/LNG-Fahrzeuge noch einen relativ hohen Anteil an den alternativen Antrieben. In der Schweiz liegt der BEV-Anteilaktuell bei ca. 3.5%.
Nichtsdestotrotz sind es bisher doch nur knapp 7 Mio. BEVs im Vergleich zu einer Gesamtflotte von über 300 Mio. Fahrzeugen in den Top20-Staaten. Das bedeutet es werden weiterhin hohe Wachstumsraten benötigt und erwartet und das insbesondere in den grossen Nationen, die mit ihren Gesamtflotten den Löwenanteil an den Emissionen in Europa ausmachen.
3. Wachstumszahlen
Das Wachstum der BEV-Flotte in den Top20-Ländern lag in den Jahren 2022 und 2023 durchschnittlich bei knapp 45% und der Anteil an den Neuzulassungen bei ca. 16%. Auch wenn sich der Trend in den letzten Monaten leicht abgeschwächt hat, teilweise bedingt durch Sparmassnahmen einiger Regierungen bei den Vergünstigungen z.B. für den Kauf eines Elektrofahrzeugs, ist das doch ein signifikanter Prozentsatz.
Natürlich muss bei solchen Angaben auch jeweils die Basis in Betracht gezogen werden. Sprich, hat ein Land als Ausgangswert einen sehr geringen Anteil an BEVs bzw. noch eine geringe absolute Anzahl an Elektrofahrzeugen, dann kann ein hoher Wachstumsprozentsatz täuschen, denn das absolute Wachstum bleibt eher auf tiefem Niveau. Es ist also umso wichtiger, dass insbesondere die grösseren Nationen signifikantes Wachstum aufweisen, was nicht zuletzt auch wiederum die kleineren Märkte weiter in ihrer Entwicklung begünstigt.
Bei den Neuzulassungen liegt wieder Norwegen mit fast 75% weit vorne, gefolgt von Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland mit Raten von knapp 40% bis 25 %, wohingegen die grossen Nationen wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien bei lediglich 11% bis 16% liegen. Immerhin liegt in diesen Ländern die BEV-Flotten-Wachstumsrate bei 38% bis 61%, also eher bei oder über dem Durchschnitt von 45%. Italien oder Spanien wiederum haben aufgrund ihres hohen Anteils an LPG- und Hybridfahrzeugen bei den Neuzulassungen für BEVs nur einen Anteil von 3% bzw. 4%.
4. Ladeinfrastruktur und weitere Einflussfaktoren
Es gibt diverse Faktoren, die die Kauf- und Nutzungsentscheidung für eine Elektrofahrzeug beeinflussen bzw. begünstigen. Das gilt sowohl für Firmenflotten als auch für private Nutzer. Zu den wichtigsten zählen sicherlich steuerliche Anreize und Vergünstigungen und insbesondere für Privatnutzer, neben Aspekten wie Fahrzeugreichweite und -sicherheit, die öffentliche Ladeinfrastruktur und deren Ausbau. Auch der Urbanisierungsgrad spielt beispielsweise eine Rolle, ob mehr zuhause oder öffentlich geladen wird. In Städten sollten Nutzer in Zukunft davon ausgehen können, dass die öffentliche Ladeinfrastruktur gut ausgebaut sein wird, was den Anteil des Home-Charging’s ggf. weiter reduzieren wird. Die finanziellen Anreize sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, insgesamt aber durchaus attraktiv und somit als entsprechend wirksam einzuschätzen.
Die Ladeinfrastruktur ist inzwischen insbesondere in den grossen Nationen, in Westeuropa, Italien und Österreich gut ausgebaut mit 4 bis 12 schnellen Ladepunkten pro 100 Quadratkilometern, was auch ein sorgenfreies Reisen in diesen Regionen gewährleistet. Bis zu 800'000 Ladepunkte gibt es inzwischen in Europa, demnächst soll die 1 Million überschritten werden. autoSense bündelt in seiner autoCharge-App in Europa ca. 475'000 Ladepunkte der verschiedenen Anbieter und bietet somit eine Abdeckung von fast 60%, in der Schweiz von 95%.
5. Die Vorreiter, die Grossen und die Schweiz
In unserer Analyse haben wir für die 10 wichtigsten Kriterien für die Top20-Nationen statistisch z-Scores ermittelt und diese mit einer definierten Gewichtung zu einem Gesamtscore aufaddiert.
Die Vorreiter in der Elektromobilität sind sicherlich Nationen wie Norwegen, die Niederlande, Dänemark, Schweden und Belgien.
Gewichtet man die grossen Nationen mit ihren grossen Flotten und ihren somit grösseren Einfluss auf die Gesamtemissionen entsprechend höher, so liegen in der Gesamtbetrachtung Deutschland, Frankreich und Grossbritannien vorn und auch Italien und Österreich reihen sich in die Top10 ein.
Und auch die Schweiz muss sich keinesfalls verstecken: mit guten Wachstumsquoten und einer gut ausgebauten Ladeinfrastruktur liegt sie im Vergleich in einem Bereich um Platz 5.